JoDD von Schaffstein - Transformelle Malerei aus Berlin

 28 Jahre Transformelle Malerei 1994 - 2022

Text von Christoph R. Giselher Poche © 2022


Ausstellung 1994 "Informel und Neue Malerei", Landdrostei Pinneberg bei Hamburg in Zusammenarbeit mit Galerie Nothelfer, Berlin - zeigt Arbeiten von Jürgen Jankowsky zusammen mit solchen von Karl Otto Götz, Gerhard Hoehme, Fred Thieler, Emil Schumacher und K.R.H. Sonderborg.
Ausstellung 1994 "Informel und Neue Malerei", Landdrostei Pinneberg bei Hamburg in Zusammenarbeit mit Galerie Nothelfer, Berlin - im Bild drei Arbeiten von JoDD

Die informelle Malerei als Vorstufe und Schule 

Die Transformelle Malerei des JoDD von Schaffstein lässt sich begreifen als ein Kind des Informel, jener europäischen Kunstströmung der ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich vehement gegen geometrische Abstraktionen sowie die verordneten Realismen des untergegangenen Nazi-Regimes und des zeitgenössischen, real-existierenden Sozialismus richtete. Das Informel verstand sich damals als der eigentlich legitime, künstlerische Ausdruck seiner Zeit. Seine Vertreter wollten mit einer reinen, von jeglicher formalen Fesselung befreiten Malerei den Eigen-Wertigkeiten der Materialien, den malerischen Gesten und den damit evozierten Gefühlsqualitäten freien Ausdruck verleihen. 

Als Jürgen Jankowsky - so der bürgerliche Name dessen, der sich heute nur noch als JoDD bezeichnen lässt - in den 1980er Jahren die Kunst für sich eroberte, hatte die frühe, informelle Malerei mit Pop Art, Concept Art und Neuer Figuration, um nur die wichtigsten zu nennen, längst Gegenbewegungen erfahren. Jankowsky, der ausgebildeter Filmplakat- und Reklame-Maler war, fühlte sich jedoch von der abstrakten Malerei und vom frühen Informel unwiderstehlich angezogen. Die Experimentierfreude eines Wols, die Spontaneität eines Hans Hartung und die Schrundigkeit der Materialtexturen eines Emil Schumacher beeindruckten ihn, und so schloss er sich, in selbst gewählter und eigenverantwortlicher Auseinandersetzung mit den Alten, der sich zeitgleich formierenden Revival-Bewegung des Neo-Informel an. Schnell wurden seine Arbeiten wegen ihrer suggestiven, sinnlichen Qualitäten bemerkt und schon bald beteiligte man ihn bei Gruppenausstellungen der neuen, am Informel orientierten Malerei und auch mit den von ihm verehrten Vorgängern wie Karl Otto Götz, Gerhard Hoehme, Fred Thieler, Emil Schumacher und K.R.H. Sonderborg. Mit letztgenanntem verband Jankowsky sogar eine persönliche, freundschaftliche Bekanntschaft. 

 

JoDD 1995 SANBIKA - Asche, Pigmente, Graphit, Bitumen, Staub auf Lw. 180x180cm
JoDD 1995 SANBIKA - Asche, Pigmente, Graphit, Bitumen, Staub auf Lw. 180x180cm

Die Geburt der Transformellen Malerei aus Verzweiflung und Schmerz 

Mit sich allein in seinem damaligen Hamburger Atelier jedoch nagten immer häufiger Zweifel an Jankowsky - all dies Inspiriert-Sein von der Kunst der andern, all dies Variieren, all dies willentliche Suchen nach der eigenen Originalität, es ermüdete ihn - die Ahnung, den eigentlichen Quellpunkt schöpferischer Kraft noch nicht erreicht zu haben, ließ sich kaum mehr unterdrücken. Eines Abends im Jahre 1992 überfiel ihn eine unsägliche Wut. Schmerz und Verzweiflung nahmen Überhand. In einem Akt selbst-zerstörerischen Aufgebens ergriff er all die Bilder, die in den letzten Jahren entstanden und im Atelier aufbewahrt waren, und verbrannte eines nach dem anderen in einem gusseisernen Kanonenofen, der sich ebenfalls im Atelier befand. 

Damit nicht genug. Als das Feuer erloschen war, wirbelte er die Asche auf und schmiss sie in alle Richtungen: nie wieder würde er so malen wie bisher! Und im Dunkeln verließ er das Atelier. Als er zwei Tage später zum Kehraus ins Atelier zurückkehrte, entdeckte er am Boden Bilder, geschaffen wie von fremder Hand. Vor seinem Akt der Selbstreinigung hatte er dort frisch grundierte Leinwände zum Trocknen ausgelegt. Die im Dunkeln umher geworfene Asche hatte ihre Oberflächen unabsichtlich getroffen, die herumschwebenden Rußflocken hatten sich abgesetzt und waren mit der antrocknenden Grundierung eine feste Verbindung eingegangen. Entstanden waren Bilder von einer abstrakten Poesie und einer ungekünstelten Originalität, wie sie Jankowsky bis dahin noch nie gelungen waren. Er war begeistert und fühlte sich beschenkt. 

Und indem er begann, über das Geschehen zu reflektieren, wurde ihm klar: Im Aufgeben des Suchens hatte er gefunden. Ein Akt der Zerstörung war zum Ausgangspunkt geworden für einen schöpferischen Akt, in dem Wirkkräfte zum Zuge kommen konnten, deren Eigengesetzlichkeiten sich aus einem Möglichkeitsraum jenseits des bewussten Wollens heraus entfalteten und die über das Persönliche hinaus reichten. Mit diesen Kräften beschloss Jankowsky, auch in Zukunft zu kooperieren. In ihnen entdeckte er seinen zukünftigen Zugang zum Wesentlichen. Als Zeichen für diese neue, innere Ausrichtung entschloss er sich, seinen Namen zu ändern, ihn zu verkürzen auf die ausgeschriebene Phonetik des ersten Buchstabens JoDD seines bürgerlichen Vor- und Nachnamens. Und aus dieser Haltung heraus entwickelten sich nach und nach die Verfahren und Prinzipien seiner neuen, der Transformellen Malerei. 


JoDD 2014 MUMONKAN - Acryyl, Schellack, Holzkohle, Staub, Sand, Pigmente auf Lw. 160x140cm
JoDD 2014 MUMONKAN - Acryl, Schellack, Holzkohle, Staub, Sand, Pigmente auf Lw. 160x140cm

Die Alchemie des "solve et coagula" 

Das erste Prinzip der Transformellen Malerei, bis heute gültig, betrifft den Umgang mit den Materialien und leitet sich ab von der herumfliegenden Asche des Inaugurations-Erlebnisses. Man könnte es zusammenfassen in der alchemistischen Schlüssel-Formel "solve et coagula" - löse und verbinde! Wobei das Lösen als Akt der Zerstörung bisheriger Strukturen und deren Transformation zum Ausgangsmaterial der anschließenden Neuschöpfung auf unterschiedliche Weise von JoDD realisiert wird. 

Nach wie vor nutzt er oft das Feuer, um Materialveränderungen zu provozieren: durch Ausbrennen, durch das Verbrennen zu Asche und deren Einsatz als Pigment-Ersatz, daneben aber auch gelegentlich durch Anschmelzen oder das Ankokeln von natürlichen oder künstlichen Stoffen, die auf diese Art ihre Oberflächenstruktur verändern oder auch ihre Farbigkeit, und so einbezogen werden in seine Kunst. 

Eine vorrangige Bedeutung jedoch nehmen das Zermalmen, Zerreiben und Zermahlen als eine Art physische Einwirkung auf fesgtes, Mineral-artiges Material ein. Dieses Vorgehen betrifft vor allem den Verputz verwitterter Wände und das Felsgestein auf Mallorca, jener Insel im Mittelmeer, der JoDD sich so sehr verbunden fühlt und auf die er immer wieder zurückkehrt. Sehr sorgfältig und hingebungsvoll sammelt er entlang dortiger Häuserwände und Mauern herabgefallene Putzstücke auf - kiloweise! In die Kalkflächen dieser Sonnen-gebleichten und von Wind und Wetter gegerbten Wände haben sich die Kräfte der Natur eingegraben. Für JoDD bleiben diese Kräfte auch in den herabgefallenen Stücken präsent und können in pulverisiertem Aggregat-Zustand Eingang finden in seine Arbeit. Ähnlich verfährt er mit Felsenstaub, den er aus zerriebenen Kalk- und Sandsteinen der Insel gewinnt. Indem JoDD diese naturfarbenen Pulver-Stäube als Pigmente nutzt, verbindet er den Farbkörper seiner Bilder mit all den Kontexten und Prozessen, die in den Pigmenten gebunden sind. 

Schließlich setzt JoDD auch noch die transformative Kraft des Wassers ein, den Regen und den Schnee, den winterlichen Frost und die sommerliche Hitze, indem er vorgestaltete Bildoberflächen in seinem Berliner Gartenatelier in einem Hinterhof der Kastanienallee im Prenzlauer Berg den Einwirkungen und Einflüssen der Witterung aussetzt - ähnlich wie es Edvard Munch mit seiner "Rosskur" hundert Jahre zuvor schon durchführte - sodass Bildstrukturen entstehen, deren Gestalt sich den Wirkkräften der Transformation ohne direkte, menschliche Einflussnahme verdanken. 

Für die Phase des "coagula", des Verbindens und Zusammenfügens, nutzt JoDD hingegen eine Auswahl von Bindemitteln, die ihre ganz eigenwilligen Wirkungen entfalten oder auch, in Kombination miteinander, Reaktionen zeigen, die zu unvorhersehbaren Strukturbildungen führen können. Hier kommen neben üblichen Acryl- und Ölbindern vor allem Bitumen, Hasenleim und Schellack zum Einsatz. Im Laufe der Jahre hat sich ein reiches Erfahrungswissen angesammelt, was die möglichen Geschehnisse und Veränderungsprozesse beim Auftrocknen der Bindemittel betrifft. 

Zu diesen treten noch mechanische Einwirkungen auf die oft pastos aufgetragenen Farbschichten wie Furchungen, Prägungen und Einritzungen mit stumpfem Stil, aber auch Klecksereien, Bespritzungen und Bestäubungen, verrinnende Verläufe von Flüssigem, Einmontage von Festem, Übermalung von Gegebenem und Freilegung untermalter Schichten. Bei einer speziellen Serie - den Walldec-Arbeiten von 2006 - inkorporiert JoDD sogar abgeblätterte Farbschicht-Segmente von den Bemalungen und Graffities der Berliner Mauer - auch diese säuberlich im Berliner Mauerpark entlang des Mauerrestes aufgesammelt. 


JoDD 1999 SHIRIKIKABE - Asche, Acryl, Pigmente, Staub auf Lw. 141x249cm
JoDD 1999 SHIRIKIKABE - Asche, Acryl, Pigmente, Staub auf Lw. 141x249cm

Der Künstler als Gefährte des Nichts 

Das zweite Prinzip leitet sich her aus dem Unwillkürlichen des Inaugurations-Geschehens 1994. Man könnte es bezeichnen als eine Art "Freundschaft mit dem Nichts". Nichts nicht Nihilistisch verstanden, sondern im Sinne eines Wirkfeldes, das allumfassend und alldurchdringend nicht einfach nur physikalisch leer ist, sondern im Gegenteil, schwanger mit allen Möglichkeiten, zum Bersten angefüllt mit Potential und eigenen Gesetzmäßigkeiten - und es nur eines Innehaltens bedarf, einer Lücke im willkürlichen Tun, eines Momentes des Zulassens und Geschehenlassens - um seine überpersönlichen, wesentlichen Gestaltungskräfte zum Ausdruck kommen zu lassen. 

In gewisser Weise wird der Künstler JoDD im Kontext seiner Transformellen Malerei zum Diener. Mit großer Hingabe engagiert er sich in den Vorbereitungen, im Sammeln, im Aufbereiten der Materialien, im Zubereiten der Malgründe - um die notwendigen Voraussetzungen und Bedingungen zu schaffen für den schöpferischen Akt, in dem er als Ego selbst zur Seite tritt. Denn dann ereignen sich kurze Momente intensivster Aktion, beinahe explosionsartig, in denen ein unbewusster Aspekt in ihm intuitiv die Aktivitäten steuert - woraufhin dann wieder Ruhe eintreten darf. Stille, ein Abwarten, in dem die angestoßenen Prozesse sich entfalten können. So wird der Diener des Transformellen anschließend zum Beobachtenden und Entdecker, ein Staunender und Beschenkter - der wohl mit Kalkül und strategisch durchaus gewitzt Prozesse in Gang zu setzen versteht - doch dann geschehen lässt, abwartend, voller Neugier, was diesmal wieder dabei herauskommen mag. Und voller Vorfreude: denn es wird das Seine sein. 

Diese Freundschaft mit dem Nichts ist etwas, das JoDD vor allem auch mit der fernöstlichen Philosophie, mit Denksystemen Chinas und Japans teilt. Deshalb nimmt es nicht Wunder, wenn JoDD seine Affinität zur asiatischen Kultur auch dadurch zum Ausdruck bringt, dass die meisten seiner Bildwerke aus dem Umkreis der transformellen Malerei asiatisch anmutende Titel tragen. Nicht von ungefähr. JoDD nutzt tatsächlich World-Wide-Web-Technik, um seine eigenen Assoziationen zum jeweiligen Bild auf einen Begriff zu bringen und diesen dann vermittels eines lexikalischen Programms in einen entsprechenden Begriff aus einer der 360 untergegangenen Sprachen Chinas zu übersetzen. Für uns allerdings, das Publikum, bleibt die lexikalische Bedeutung der Titel verborgen. Was uns begegnet, ist allein ihr Klang - und das Feld der Assoziationen und Anmutungen, die das fremdartige Silbengefüge eröffnet.


JoDD 2000 CUNOVE HM - Asche, Acryl, Bitumen, Graphit, Pigmente auf Lw. 180x180cm
JoDD 2000 CUNOVE HM - Asche, Acryl, Bitumen, Graphit, Pigmente auf Lw. 180x180cm

Eine primäre Bildsprache als Kooperation von Materie und Geist 

Das dritte Prinzip schließlich ist das der sparsamen Intervention. Dank dieses Prinzips kann JoDD durchaus auch in die Rolle des Demiurgen schlüpfen, indem er selbst aktiv eingreifend auf die schöpferischen Impulse von Innen und auf die Eigendynamik der materiellen Prozesse im Außen auf den Bildträgern eingeht und in die Materie der Substanzen auf den Bildoberflächen Urzeichen einer grundlegenden Geometrie hineingräbt oder die Bildgründe mit einfachen Kompositionsmustern gliedert. Dann ergeben sich Grundformen, die in ihrer Universalität an der Wiege einer jeglichen, menschlichen Kultur zu finden sind und die auch uns bis heute ganz unmittelbar verständlich bleiben.

JoDD 2002 TAI 3 (Vunico) - Steinstaub aus Mallorca, Pigmente, Acryl auf Lw. 75x80cm
JoDD 2002 TAI 3 (Vunico) - Steinstaub aus Mallorca, Pigmente, Acryl auf Lw. 75x80cm

So finden sich vor allem immer wieder Kreise als Sphären, als Orte sich selbst genügender Monaden, als schwebende, in sich ruhende Welten, aber auch ausstrahlend, offen zirkulierend, mit spiraligen Einschreibungen. Wir mögen diese Kreisformen als Symbol für das ungeteilte "Ich-Bin" erleben - oder auch als Sonnenscheiben - als Planeten - im Prinzip aber stets als Repräsentationen eines Gegenüber, das harmonisch in sich selber ruht mit allen Potentialen von Kontext-Bildung und Beziehung, heil, harmonisch, umfassend, Leben.

JoDD 1999 HATU - Asche, Pigmente, Acryl auf Rupfen 149x149cm
JoDD 1999 HATU - Asche, Pigmente, Acryl auf Rupfen 149x149cm

Oder, als das Gegenteil des Kreises: Rechtecke, Quadrate und Kreuze - die zur Form geronnene Vier, die aufteilbare und zusammengesetzte Materie - immer schon vorhanden in Beziehung zu den vier Ecken der Bildformate, zu den vier kardinalen Richtungen, zu den vier Quadranten der Bildoberfläche. Auch als Verweis auf die vier klassischen Elemente, deren dynamisches Zusammenspiel dann eher den auf's Eck gestellte Rauten und Rhomben als den umgrenzenden Feldern entspricht. Und als Kreuz ein definierter Ort im Schnittpunkit der Richtungen. Wir als abendländisch sozialisierte Betrachtende begreifen solche Kreuze leicht als Stellvertreter für das Individuum, aber auch für Leiden, für Opfer, für Tod. 

JoDD 1996 KUJAKU - Asche, Bitumen, Graphit, Pigmente auf Lw. 157x287cm
JoDD 1996 KUJAKU - Asche, Bitumen, Graphit, Pigmente auf Lw. 157x287cm
https://www.singulart.com/de/kunstwerke/jodd-von-schaffstein-kujaku-913957
gibt für Kujaku mit "Acryl auf Leinwand" eine fehlerhafte Technik-Angabe

Und auch das Dreieck kommt vor, mit Spitze und Grundlinie und den Seitenschenkeln - die Verbindung von oben und unten, mit der Spitze als der dritten Position über oder unter dem Gegensatzpaar von links und rechts in der Basis - übergeordneter oder untergeordneter Beobachterstandpunkt, der antagonistische Polaritäten in ein dynamisches Feld mit Ausrichtung zu verwandeln vermag - und darüber hinaus ein Symbol für Triaden und Trinitäten aller Art - selbst das Auge Gottes könnten wir assoziieren, wenn sich im Dreieck ein Kreis befindet.

Für JoDD allerdings sind Kreis, Rechteck, Kreuz und Dreieck zunächst einfach Grundformen, die sich ergeben, wenn die amorphe "Prima Materia" sich zu organisieren beginnt, weil der Mensch mit ihr in eine ordnende, gestaltende Beziehung tritt. Sie zeugen von einem ganz ursprünglichen, archaischen Zusammenwirken zwischen materieller Substanz und menschlichem Geist, das sich bis hin zu Reihen von konzentrierten Zeichen verdichten kann, deren Qualitäten Bedeutungsebenen umfassen, die tief im Grundsätzlichen und im menschlichen Unterbewusstsein wurzeln.

Sich selbst überlassen, folgt die Substanz der Materie in vielen der von JoDD entwickelten Bild-schöpferischen Verfahren hingegen ganz anderen Tendenzen: Sie bildet ihre eigenen Dynamiken heraus, Fließbewegungen führen zu Wirbeln und Strudeln, Grenzen bilden sich und verschwimmen wieder, Sedimente lagern sich ab, illusionäre Räume tuen sich auf und werden durchwachsen, Regelmäßiges und Unregelmäßiges greift ineinander über und bildet Konstellationen, die sprachlich schwerlich zu benennen und zu definieren wären und die uns Betrachtenden als naturnah erscheinen mögen. Deren dynamische Energien bringen bisweilen sogar an kreatürliche oder humanoide Gestalten Erinnerndes hervor - ein derartiges Wieder-Erkennen lässt sich im Einzelfall durchaus an die Ergebnisse der Transformellen Malerei herantragen. Und auch JoDD als deren erster Betrachter lässt zwar zumeist einfach geschehen, was geschieht, und kooperiert doch gelegentlich auf ungekünstelte und spontane Weise, selbst absichtslos deutend, vermitels Richtung gebender Eingriffe mit den ansonsten autonom ablaufenden Bildprozessen.


JoDD 2008 WENSHAM - Asche, Acryl, Pigmente, Staub, Holzkohle, Schellack, Bitumen auf Lw. 50x40cm
JoDD 2008 WENSHAM - Asche, Acryl, Pigmente, Staub, Holzkohle, Schellack, Bitumen auf Lw. 50x40cm

Archaik und Schrift als Konstanten trans-geschichtlicher, menschlicher Kultur 

In gewisser Weise gehört also auch das nachträgliche, projektive Sehen, die deutende Sicht auf das Gegebene, zur Transformellen Malerei dazu. Denn tatsächlich geschieht auch dies wie von allein. Wir als Betrachter nämlich tendieren dazu, die Arbeiten der Transformellen Malerei keineswegs als inhaltsleere Gebilde anzusehen. Im Gegenteil. Wir erleben in ihren offenen Strukturen Resonanz mit dem, was in uns selber liegt. Diese Arbeiten berühren uns oft so, als begegneten wir in ihnen den Zeugnissen einer vorgeschichtlichen, tiefgründigen, längst versunkenen Zivilisation. Als sei in ihnen ein unausgesprochenes Wissen um Sein und Zeit verborgen - in den archaischen Formen von Geheimnissen allerdings, die sich unserem direkten, verstandesmäßigen Zugriff entziehen. 

Dieser Rekurs auf Ursprünge und Grundelemente menschlichen Kulturschaffens kommt auch in solchen Arbeiten zum Tragen, auf denen JoDD leer gebliebene Freiflächen mit den schwänzelnden Tänzen schwingender Schriftzeichen überzieht - auf anderen bilden Runen-hafte Buchstaben-Folgen rhythmisch getaktete Signaturen, an formelhafte Zaubersprüche erinnernd - gleichwohl unaussprechbar, da die Phonetik der Graphismen uns unbekannt bleibt. Auf wieder anderen Bildern prangen die Majuskeln unseres lateinischen Alphabets in aufeinander bezogenen Inselfeldern in einem Zustand der Verformung, der gerade eben noch zulässt, sie zu identifizieren, sodass sie im Titel der Arbeit nachhallen können - und nicht zuletzt hinterlässt der Namenszug von JoDD selbst oft seine Spuren, indem er die Arbeiten ästhetisch wirksam signiert. Doch nur dort, wo es passt - in anderen Fällen ist die Signatur, um nicht zu stören, auf die Rückseite der Leinwand verbannt.


JoDD 2009 MANG - Asche, Acryl, Pigmente, Graphit, Schellack auf Lw. 180x180cm
JoDD 2009 MANG - Asche, Acryl, Pigmente, Graphit, Schellack auf Lw. 180x180cm

Die Transformelle Malerei als Trägerin einer undogmatischen Spiritualität 

Hin und wieder transportieren Arbeiten der Transformellen Malerei auch deutlicher erkennbar eine inhaltliche Absicht des Künstlers. Dann hat er offensichtlich im Verlauf des Schaffensprozesses eine Deutungsmöglichkeit im Nichts-Bedeutenden entdeckt und geht ihr spielerisch nach, konkretisiert sie ein wenig, gibt ihr die Chance, sich zu verfestigen - sodass wir aus filigranen Netzen, andeutungsweise oder auch eindringlicher, Figuren hervortreten sehen - sogar komplexere Szenerien können sich entfalten - ja, es gibt sogar eine Phase, in der JoDD fotografische Aufnahmen von Gesichtern und menschlichen Körpern in seine Transformelle Malerei integrierte. Doch bleibt auch hier neben der persönlichen Intentionalität des Künstlers ein offenes Feld der Empfänglichkeit für die Auswirkungen des Ungeplanten erhalten, ein anderes, unpersönliches Gestalten-Wollen bleibt spürbar. 

Insofern können wir die Arbeiten der Transformellen Malerei auch als Einladung erleben, in Berührung zu kommen mit einer spirituellen Dimension jenseits von Religion und Dogma. Einer Dimension, die unabweisbar in allen Dingen und Prozessen wirkt und webt, die wir übertönen können, überlagern, überformen mit unseren eigenen Absichten, die letztlich aber doch im Grunde unseres Wesens wirksam bleibt und spätestens dann zum Tragen kommt, wenn unser persönliches Wollen erlahmt oder seine Intensität nachlässt - und die uns dann fortspülen kann - oder tragen - und beides mag sich tatsächlich in den gleichen Ereignissen äußern. 

Was dann den Unterschied macht, ist wohl, wie wir selber das Geschehen auffassen und verstehen. Wozu uns die Transformelle Malerei des JoDD von Schaffstein anregen kann, ist eben dieses: In der Begegnung mit dem Unwägbaren eine Haltung einzunehmen von Annehmen und von Gelassenheit. Denn für immer ausweichen werden wir dieser letzten, Gestalt-verändernden, transformierenden Dimension wohl nicht können. 

 

JoDD 2010 vor PUJI - Acryl, Asche, Holzkohle, Pigmente, Schellack auf Papier auf Lw. 160x140cm
JoDD 2010 vor PUJI - Acryl, Asche, Holzkohle, Pigmente, Schellack auf Papier auf Lw. 160x140cm

Apparat

Dieser Text ist eine Überarbeitung der Erstfassung vom August 2014, veröffentlicht in einem Katalog der Galerie Christian Klasan, Wien, anlässlich des 70. Geburtstages von JoDD von Schaffstein. Zitation:

Poche, Christoph (2014): 20 Jahre Transformelle Malerei. JoDD 1994 - 2014. In: JoDD. 20 Jahre Transformelle Malerei 1994 - 2014. Mit Beiträgen von JoDD von Schaffstein, Christian Klasan, Valerio Dehò, Daniela Licardo und Christoph Poche. Wien, Galerie Klasan, S. 7 - 13.

Sämtliche Illustrationen des Textes sowie des folgenden Addendums sind mit JoDDs Zustimmung seinen Websites https://www.jodd.de/ und https://joddvonschaffstein.art/ entnommen.

JoDD von Schaffstein wird zur Zeit hauptsächlich von folgenden Galerien vertreten:


Klasan Gallery / Galerie Christian Klasan, Wien, London

Rehlackenweg 15, A-1220 Wien, Österreich
Telefon: +43 1 211 33 11
E-Mail: galerie(at)klasan.at

https://klasan.gallery/
https://joddvonschaffstein.art/
https://www.yumpu.com/de/document/read/62825474/jodd-von-schaffstein-katalog-werkschau-2015-2019
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Galeria HMH S.L., Mallorca

Carrer de sa Fábrica 11, E-07157 Puerto Andratx, Mallorca - Spanien
& Calle Isaac Peral 51, E-
07157 Puerto Andratx, Mallorca - Spanien

https://artspaces.kunstmatrix.com/de/exhibition/1147066/jodd-von-schaffstein-hmh   

https://www.art-gallery-mallorca.com/jodd-von-schaffstein/
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singulart - Weltweiter Kunstversand

https://www.singulart.com/de/künstler/jodd-von-schaffstein-1006
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Kontakt zu JoDD von Schaffstein direkt:

JoDD von Schaffstein

Kastanienallee 83, D-10435 Berlin-Prenzlauer Berg, Deutschland
Tel. +49 30 634 260 77 Mobil: +49 170 824 2747
Email: jodd(at)freenet.de

https://www.jodd.de/  

https://joddvonschaffstein.art/ 

 

JoDD 2014 TING 2 - Acryl, Schellack, Holzkohle auf Zeichenkarton 70x100cm
JoDD 2014 TING 2 - Acryl, Schellack, Holzkohle auf Zeichenkarton 70x100cm (Privatbesitz)

Addendum 2022

Seit 2014, dem Jahr seines 70. Geburtstages, bis heuer, 2022, sind 8 Jahre vergangen - eine Zeit, in der sich ungeheuer viel getan hat bei JoDD von Schaffstein hinsichtlich seiner Werkentwicklung. Sein Alterswerk kennt kein Nachlassen, keinen allmählichem Rückzug oder gar Degeneration, sondern es expandiert weiter, gewinnt an Reife und Intensität dort, wo es auf den bisherigen Erfahrungen mit den Eigenwilligkeiten der typischen Materialien der Transformellen Malerei wie Asche, Steinstaub, Schellack und der Kombination unterschiedlicher Bindemittel und Pigmentarten aufbaut. An anderer Stelle jedoch wendet JoDD die Grundprinzien der Transformellen Malerei, das "solve et coagula" und die "Freundschaft mit dem Nichts", auf ganz neue Wirkfelder an, er forscht und experimentiert weiter, findet neue Begegnungsräume für den Geist - seinen Geist - mit den Substanzen und Manifestationen der materiellen Welt. 

Was das Reifen angeht, sind es vor allem die großformatigen, komplexen, auch schwergewichtigen Arbeiten auf Leinwand, die zwischen 2015 und 2019 entstanden und die die Transformelle Malerei in gewohnter Weise fortführen, wobei sie keinerlei Nachlassen der Intensität oder gar Tendenzen zur Selbstwiederholung aufweisen, sondern unablässig weiter aus dem ungeheuren Potential der Möglichkeiten der JoDDschen Verfahren schöpfen und zu immer neuen und immer wieder überraschenden und erstaunlichen, ästhetischen Ergebnissen führen. Dieser Strom an Manifestationen reißt bis heute nicht ab.


JoDD 2014 TING 27 - Acryl, Schellack auf Zeichenkarton 70x100cm
JoDD 2014 TING 27 - Acryl, Schellack auf Zeichenkarton 70x100cm

Arbeiten auf Papier und Karton

Was seither hinzugekommen ist, ist zunächst einmal ein anschwellender Parallelstrom von Arbeiten auf Papier, die insbesondere das zweite Prinzip der Transformellen Malerei, das der Unwillkürlichkeit und der "Freundschaft mit dem Nichts", weiter erforschen und zunehmend zuspitzen, indem JoDD den Kontrast zwischen sorgfältiger, zeitaufwändiger Vorbereitung sowie sehr geduldigem, alle Zeit der Welt gewährendem Abwarten nach getaner Tat einerseits und der Kürze der aktiven, malerischen Aktion andererseits auf die Spitze treibt. Die Schnelligkeit des Handeln entreißt taktisch dem konventionellen Anteil des menschlichen Geistes die Möglichkeit zu steuernder Einflussnahme - wobei strategisch die Vorbereitungen und Entscheidungen hinsichtlich der zu verwendenden Flüssigkeiten und ihrer Sättigungen mit Pigmenten, hinsichtlich der ausgelegten Papiere sowie der vorzunehmenden Handlungen und Bewegungsfolgen die Voraussetzung dafür schaffen, dass die aus der jeweiligen Experimental-Anordnung hervorgehenden Serien von Arbeiten zwar so etwas wie Familienähnlichkeiten a la Wittgenstein entwickeln, jedes einzelne Blatt jedoch ein völlig eigenständiges, unberechenbares Unikum bleibt, dessen Ästhetik sich unverdorben von wollender Kontrolle frei entfalten kann.


JoDD 2022 KOSHMAR 1 - Chinatusche und Schellack auf Karton 63x41cm
JoDD 2022 KOSHMAR 1 - Chinatusche und Schellack auf Karton 63x41cm

Die Serie der "Sekundenbilder" bringt dieses Vorgehen auf den Punkt. Eine andere Serie, die von Dorothee Röseberg in der Werkschau 2015 - 2019  als "experimentelle Kalligraphie" bezeichnet wurde, integriert das meditative Sich-Leeren und das spontane Pinselsetzen aus der inneren Offenheit heraus in einen mal einphasigen, mal mehrphasigen Prozess, die Anmutung der Ergebnisse ist tatsächlich häufig asiatisch, komplexe Schriftbilder evozierend, oft aber auch figürlich und immer angereichert mit dem ästhetischen Reiz der Eigenwilligkeit der ineinander fließenden, zumeist verschieden farbigen Flüssigkeiten.


JoDD 2015 SARANI - Chinatusche, Schellack auf Fotokarton 70x100cm
JoDD 2015 SARANI - Chinatusche, Schellack auf Fotokarton 70x100cm

Poesie, Lyrik, Musik

Neben seiner Malerei ist noch im Jahre 2014 ein ganz anderes Feld der Kreativität JoDD von Schaffsteins sichtbar geworden, das bis dahin im Privaten verborgen geblieben war: das der Poesie. Unter dem Titel "Novemberfrühling. Gedichte und Bilder" gab seine Ehefrau, Prof. Dr. Dorothee Röseberg, einen Gedichtband mit 40 Gedichten von JoDD aus den Jahren 1996 - 2000 heraus und stellte sie jeweils einem seiner Bilder gegenüber. Diese Gedichte JoDDs thematisieren in kurzen Sätzen und Wortfolgen das ICH in der Welt, seine Beziehung zum Ganzen und zum DU - manche davon richten sich liebevoll an ein weibliches Gegenüber. Angefüllt mit Sprachbildern werden sie, typographisch entlang einer zentrierten Vertikalen angeordnet, selbst zum Bild. In ihrer fokussierten Konzentration auf den Gehalt von Einzelworten und einfachen Sätzen, die Grundfragen des Menschseins und der Existenz ansprechen, bilden die Gedichte ein würdiges Analogon zu JoDDs Transformeller Malerei mit ihrer Orientierung an den Urkräften des Seins und der Transzendenz im Materiellen. 

https://www.yumpu.com/de/document/read/62694009/novemberfruehling-jodd-von-schaffstein



JoDD 2018 LORATEGIAI - nach dem Rilke-Gedicht v.1897 "Ich will ein Garten sein" - Acryl und Mischtechnik auf Lw. 150x200cm
JoDD 2018 LORATEGIAI - nach dem Rilke-Gedicht von 1897 "Ich will ein Garten sein" - Acryl und Mischtechnik auf Lw. 150x200cm

In den Jahren 2018 und 2019 schuf JoDD von Schaffstein zudem eine mehr als 20 großformatige Arbeiten umfassende Werkgruppe zu Gedichten von Rainer Maria Rilke, die in Zukunft vielleicht einmal als Hauptwerk des Künstlers aus dieser Lebensphase betrachtet werden wird. Die Bilder entstanden, indem sich JoDD während des jeweiligen Malprozesses akustisch dem in Loop-Schleifen beständig wiederholten Vortrag eines der Gedichte von Rilke auf Tonkonserven aussetzte, es dabei selber unablässig vor sich hinsprechend mit-rezitierte und es per Handschrift in die gleichzeitig durch Malprozesse entstehenden Bildstrukturen eintrug, um damit eine Resonanz aufzubauen zwischen seinem eigenen Unbewussten und dem Unbewussten Rilkes, soweit es in dessen Gedichten zum Ausdruck kommt, sodass sich diese intensive Verbindung indirekt steuernd und integrierend auf den Malprozess auswirken konnte - ein Verfahren, das Geistiges, Gehörtes, Verschriftlichtes und emotional Empfundenes direkt in bildnerischen Ausdruck umzusetzen suchte, um so zu Findungen zu kommen, die sich keinerlei bewussten Suchprozessen oder rationalen Interpretationen verdanken. Im Klang der Lyrik Rilkes formte sich auf diese Weise als Analogon die bildnerische Lyrik JoDDs. 

 

JoDD 2019 Nimrod G4 - Acryl und Graphit auf Karton 70x100cm
JoDD 2019 Nimrod G4 - Acryl und Graphit auf Karton 70x100cm

Das Umsetzen von Klang in Bild zelebrierte JoDD zudem 2018 in einer Bilderserie sowohl auf Leinwand als auch auf Papier zur Musik von Edward Elgar, eines Komponisten der britischen Romantik. Dessen Komposition "Nimrod", deren Aufführung circa 4 Minuten in Anspruch nimmt, setzte JoDD in immer neuen Ansätzen wiederholt in komplexe, sich spontan und dynamisch entfaltende Bilder um, indem er den dynamischen Malprozess des jeweiligen Bildes lauschend mit dem Einsetzen der Musik begann und ihn mit dem Ausklingen des letzten Taktes des Musikstückes beendete - Bild und Musik gleichermaßen ein Abschnitt begrenzter, auf einander ausgerichteter, gestalteter Zeit. 

 

JoDD 2016 WAR - Decollage und Montage auf Holztafel 61x93cm - JoDDpopARTberlin
JoDD 2016 WAR - Decollage und Montage auf Holztafel 61x93cm

JoDDpopARTberlin 

So wie JoDD auf Mallorca und im Berliner Mauerpark abgefallene Teile von Verputzung aufklaubte, um sie zum Ausgangspunkt für weitere Transformationen in seiner Kunst zu nehmen, faszinierten ihn auch im Umfeld der Kastanienalle die wild plakatierten Veranstaltungsankündigungen an Trapho-Häuschen, Bauzäunen und Wänden, die für die legalen und illegalen Veranstaltungen des Berliner Nachtlebens im Bezirk Prenslauer Berg Reklame machten. An manchen, für Werbung besonders attraktiven Orten bildeten die wilden Plakatierungen dank ständigem Überklebtwerdens immer dickere Schichten heraus, an anderen Orten, durch Regen aufgeweicht und in Teilen mutwillig abgerissen, blieben von ihnen lediglich bizarre Papierkonlomerate übrig, die ihre längst veralteten Botschaften nur noch unvollständig und gebleicht verkündeten und als Ausdruck der Vergänglichkeit JoDD so reizvoll erschienen, dass er sie sorgfältig ablöste, mitnahm und jahrelang auf Vorrat sammelte. 

2017 endlich entwickelte er aus dem Gedanken an die Endlichkeit menschlichen Ruhms und Tuns eine Möglichkeit, die gesammtelten Plakatabrisse in seine Transformelle Kunst zu integrieren, indem er sie in Bezug setzte zur Populär-Kultur, die einst in den 1960er Jahren als Pop-Art mit Andy Warhol als Protagonisten geradezu als Antipoden zum abstrakten Informell Eingang in die Kunstwelt gefunden hatte. JoDD beschaffte sich nun seinerseits aktiv aus dem Internet Plakate mit den Stars der Popmusik und des massenwirksamen Films der damaligen Zeit und montierte sie gemeinsam mit den gesammelten und im Straßenraum ehemals der natürlichen Verwitterung ausgesetzen Plakatfragmenten auf verzinkte Regalböden aus Stahl oder auf Holztafeln, um sie dann durch Kratzen, Reißen und Schaben intentional so zu beschädigen, dass Gefundenes und neu Hinzugefügtes sich zu gleichermaßen verletzten Einheiten zusammenschlossen: moderne Versionen des Memento Mori und der Vanitas auf Basis der Ikonen des Pop. Die so als Werkgruppe unter dem Titel "JoDDpopARTberlin" seit 2017 entstehenden Arbeiten sind demnach als Hybride von Pop-Art und Transformeller Malerei zu verstehen, indem sie deren widersprüchliche Prinzipien zu einer einzigen, gemeinsamen Gestalt zusammenfassen.  


JoDD 2022 ALADIN - Decollage Montage auf Stahlblech 100x70cm - JoDDpopARTberlin
JoDD 2022 ALADIN - Decollage Montage auf Stahlblech 100x70cm

Und auch in diesem Jahr, 2022, setzt sich die Evolution neuer Formen im Werk von JoDD von Schaffstein fort. Jüngste Weiterentwicklung: Die für die Kratz-und-Fetz-Montagen der JoDDpopARTberlin als Bildgrund zum Einsatz kommenden Regalböden aus Stahl dienten jüngst erstmals auch als Bildträger für spontane, informelle Malerei mit klassischen Malmitteln und Pigmenten - ein Amalgam gleichsam von Informel und Minimal. Man darf gespannt sein, welche Möglichkeiten JoDD von Schaffstein aus diesem jüngsten Zusammentreffen von alten Komponenten und neuem Impetus in seiner Kunst in nächster Zeit entwickeln wird - indem er auch weiterhin mühelos entdeckt, weil sich alles, was sein soll, wie schon so oft, ganz von allein von ihm wird finden lassen. 

Christoph Poche, im Mai 2022  


JoDD 2022 SAPERLIPOPETTE - Acryl und Mischtechnik auf zwei Stahlblechtafeln 100x100cm
JoDD 2022 SAPERLIPOPETTE - Acryl und Mischtechnik auf zwei Stahlblechtafeln 100x100cm

Apparat Addendum

Literatur:

JoDD von Schaffstein (2019): Alles kommt, wie es soll. Werkschau 2015 - 2019. Mit Beiträgen von Jodd von Schaffstein, Christian Klasan, Ingrid und Jürgen Modrow, Daniela Ricardo, Rainer Maria Rilke, Brigitte Duvillard und Dorothee Röseberg. Wien. (Klasan ArtAgency). 

Ferdinand Messner Hrsg. (2015): JoDD. Papierarbeiten. Abstrakte Fotografie. Ausstellung 1.8. - 31.10.2015. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Dorothee Röseberg, Dr. Ferdinand Messner M.A.. Trossingen. (Galerie Dr. Messner).

JoDD (2014): Novemberfrühling. Gedichte und Bilder. Gedichte und Bilder für die Veröffentlichung ausgewählt und zusammengestellt von Prof. Dr. Dorothee Röseberg. Wien. (Galerie Klasan). 

JoDD (2014): 20 Jahre Transformelle Malerei 1994 - 2014. Mit Beiträgen von JoDD von Schaffstein, Christian Klasan, Valerio Dehò, Daniela Licardo und Christoph Poche. Wien. (Galerie Klasan). 

 

Autor:

Christoph R. Giselher Poche

Bergmannstr. 58, 10961 Berlin-Kreuzberg
tel.: +49 (0) 151 501 58 414
email: chrispoche(at)yahoo.com  

Copyright aller verwendeten Fotos bei JoDD von Schaffstein 
oder bei von ihm beauftragten Fotografen 

 

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